Eingewöhnung Krippe

Für Kleinkinder im Alter von null bis drei Jahren ist die Eingewöhnung an neue Bezugspersonen und eine neue Umgebung sowie die Abnabelung von den Eltern ein großer Schritt. Um diesen Schritt erfolgreich bewältigen zu können, müssen die vertrauten Bezugspersonen, i.d.R. die Eltern des Kindes in der ersten Zeit intensiv mit der Einrichtung zusammen arbeiten.

Der Übergang in eine regelmäßige Tagesbetreuung soll so schonend wie möglich in kleinen Schritten verlaufen. Für Kinder kann eine Eingewöhnung Stress bedeuten, da es in den meisten Fällen zum ersten Mal lernen muss, sich für längere Zeit von seinen Eltern zu trennen. Auch muss sich das Kind an den neuen Tagesrhythmus und Abläufe in der Gruppe gewöhnen. Eine langsame Integrierung in die Tagesbetreuung soll helfen, das Kind schonend und mit Spaß an die neuen Eindrücke zu gewöhnen und nicht zu überfordern. Doch nicht nur die Kinder müssen sich an die Veränderung gewöhnen, sondern auch die Eltern. Diese sehen dem Eintritt in die Krippe nicht selten mit gemischten Gefühlen entgegen. So sind sie auf der einen Seite glücklich, einen Krippenplatz bekommen zu haben, da dies der Entwicklung des Kindes förderlich ist und der Einstieg in den Beruf wieder ermöglicht werden kann. Auf der anderen Seite jedoch kann eine Trennung auch auf Seiten der Eltern zu Trennungsschmerzen und Angstgefühlen führen. Für Eltern ist es natürlich, dass Sie ihr Kind nur ungern in die Hände von fremden Menschen geben wollen und sich auch teilweise die Frage stellen, ob es richtig ist ein Kleinkind schon so früh von den Eltern abzunabeln.

Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Familien eng mit der Kindertagesstätte zusammenarbeiten und ihre Ängste offen ausdrücken können. So können auch die Eltern Unterstützung und Anleitung bei der Eingewöhnung von der Kita erhalten. Denn nur wenn die Eltern bei der Eingewöhnung intensiv mitarbeiten, kann diese erfolgreich umgesetzt werden. Von den Mitarbeitern der Krippe wird in dieser besonderen Phase besonders viel Aufmerksamkeit für die Kinder und eine professionelle Haltung gegenüber den Eltern gefordert. Die Grundlage dafür bildet ein wertschätzender, offener und ehrlicher Umgang. Die Eingewöhnung dient sowohl den Kindern als auch den Müttern und Vätern dazu, Sicherheit und Orientierung zu gewinnen.

Die Eingewöhnung in unserer Krippe ist angelehnt an das Berliner Eingewöhnungsmodell nach infans (Institut für angewandte Sozialisationsforschung/ Frühe Kindheit e.V.) Das Modell stützt sich auf die Bindungstheorie von John Bowlby. Die Grundlage des Modells ist die Beachtung der Bindung des Kindes an seine Mutter und der unterschiedlichen Bindungsqualitäten. In der Regel werden mit der Anwendung des Berliner Eingewöhnungsmodells ein bis ca. drei Wochen für die Eingewöhnung eines Kindes benötigt. Es darf dabei niemals aus den Augen verloren werden, dass jedes Kind das Tempo seiner Eingewöhnungszeit selbst bestimmt. Je nach Temperament, bisherigen Bindungserfahrungen und individuellem kindlichem Verhalten dauert eine Eingewöhnung unterschiedlich lang. Generell stellt der neue aufregende Schritt in die Kindertagesbetreuung und die Trennung des Kindes von seinen Eltern eine Belastung dar, die durch eine langsame und sensible Eingewöhnung deutlich gemindert wird.

Phasen des Eingewöhnungsmodells

Das Eingewöhnungsmodell besteht aus sechs Schritten, die im Folgenden dargestellt und kurz erläutert werden:

Rechtzeitige Informationen an die Eltern
Die Eltern werden über die Bedeutung und den Ablauf der Eingewöhnung frühzeitig informiert. In einem intensiven Vorgespräch wird den Eltern das Eingewöhnungsmodell vorgestellt. Sie werden über alle wichtigen und relevanten Informationen in Kenntnis gesetzt. Den Eltern wird ein Fragebogen ausgehändigt in welchem alle wichtigen Informationen über das Kind und seine Lebensumgebung sowie seine Lebensumstände erfasst werden. Darüber hinaus erhalten die Eltern eine Checkliste für die Startausrüstung ihres Kindes. Das Vorweggespräch soll Sicherheit und Orientierung für die Eltern bieten.

Die Eltern sollten zwei bis vier Wochen für die Eingewöhnung einplanen und keinen (Kurz-) Urlaub oder besondere Belastungssituationen (z.B. Umzug, Geburt eines Geschwisterkindes) in diese Zeit legen.

Die dreitägige Grundphase
Die Bezugsperson sollte sich mit dem Kind für ein bis zwei Stunden in der Einrichtung aufhalten. Dabei verhält sie sich passiv, aber aufmerksam gegenüber den Signalen des Kindes. Sie ist für das Kind der „sichere Hafen“, d. h. sie folgt dem Kind nicht, ist aber immer gut erreichbar und aufmerksam (Zeitung lesen und das Spielen mit anderen Kindern ist hier sehr kontraproduktiv). Die Fachkraft versucht vorsichtig, über Spielangebote Kontakt zum Kind aufzubauen. Es finden keine Trennungsversuche statt. Die Pflegeroutinen vollzieht die Mutter/der Vater. Der Personalschlüssel ist der besonderen Situation der Eingewöhnung angepasst, damit die Fachkraft entsprechend Zeit für das Kind hat und die Interaktion zwischen dem Elternteil und Kind beobachten kann. Bei Säuglingen ist der Geruchssinn sehr gut ausgeprägt und stellt einen intensiven Zugang zur Welt dar. Daher sollte die Fachkraft im Idealfall kein Parfüm oder nur einen sehr dezenten Duft tragen, der gleichbleibend ist, so dass das Kind ihn mit der Person verbinden kann. Ein Gegenstand, der nach Mutter oder Vater riecht (Schnuffeltuch, getragenes T-Shirt) kann die Eingewöhnung für das Kind erleichtern. Insbesondere bei den ersten Schlafversuchen ist es für das Kind meist sehr hilfreich, sich darin einzukuscheln.

Der erste Trennungsversuch
Am vierten Tag entfernt sich die Bezugsperson nach einiger Zeit aus dem Gruppenraum, nachdem sie sich vom Kind verabschiedet hat. Lässt sich das Kind schnell von der Fachkraft beruhigen oder ist es eher gleichmütig, sollte die erste Trennungsperiode 30 Minuten betragen. Wirkt das Kind hingegen verstört oder beginnt zu weinen ohne sich schnell trösten zu lassen, so sollte die Trennung nicht länger als fünf bis zehn Minuten betragen. Das kindliche Verhalten in dieser Situation hat erfahrungsgemäß einen gewissen Voraussagewert für den weiteren Verlauf der Eingewöhnung. Wir dokumentieren den Eingewöhnungsverlauf mit Hilfe eines kurzen Fragebogens, den wir jeden Tag verwenden.

Die Länge der Eingewöhnung
Sicher gebundene Kinder (häufiger Blickkontakt zur Bezugsperson, heftiges Weinen beim Verlassenwerden und offene Annäherung/Körperkontakt bei Wiederkehr der Bezugsperson) brauchen eine längere Eingewöhnungszeit von zwei bis drei Wochen. Unsicher gebundene Kinder (je nach Bindungstyp eher gleichgültig bei der Trennung und der Wiederkehr der Bezugsperson oder große Erregung bei der Trennung, aber ambivalentes Verhalten bei der Wiederkehr) benötigen eher eine kürzere Eingewöhnungszeit von ca. ein bis eineinhalb Wochen.

Die Stabilisierungsphase
Die Stabilisierungsphase beginnt mit dem fünften Tag (mit dem sechsten, wenn der fünfte Tag ein Montag ist). Die Fachkraft übernimmt zunehmend – erst im Beisein der Bezugsperson – die Versorgung des Kindes (Füttern, Wickeln etc.). Sie bietet sich gezielt als Spielpartner an und reagiert auf die Signale des Kindes. Die Trennungszeiten werden, unter Beachtung der Bedürfnisse des Kindes, täglich verlängert. Akzeptiert das Kind die Trennung noch nicht, sollte bis zur zweiten Woche mit einer neuen Trennung gewartet werden. Es wird jedoch nie an einem Montag mit einem neuen Schritt begonnen. Nach dem infans Konzept können Kinder ab dem fünften Tag auch bereits in der Einrichtung schlafen.

Bei der kürzeren Eingewöhnung werden die täglichen Trennungen stetig ausgebaut, ebenso wie die Anwesenheit des Kindes in der Einrichtung. Am sechsten Tag ist das Kind häufig schon ohne Begleitung seiner Bezugsperson für mehrere Stunden in der Einrichtung. Bei der längeren Eingewöhnung von Kindern mit einer sicheren Bindung erfolgt ein erneuter Trennungsversuch erst am siebten Tag und wird sensibel von der Fachkraft begleitet. Erste Schlafversuche werden,  je nachdem wie weit das Kind ist, entsprechend in Begleitung der Bezugsperson gestaltet. Alle Pflege- und Routineaktivitäten sollten mindestens einmal in der Eingewöhnung gemeinsam mit der Bezugsperson zusammen durchgeführt werden. Auf diesem Weg erfährt das Kind, dass diese Situationen auch zum Alltag in der Einrichtung gehören. Dies bietet der Fachkraft zusätzlich die Möglichkeit, sich einige Tricks und Tipps bei der Mutter/dem Vater abzugucken, um es dem Kind später so angenehm und einfach wie möglich zu machen. Für die Kinder, die sich am zehnten Tag während der Trennungsphase von der Fachkraft trösten lassen, gilt der elfte Tag als Stabilisierungstag. Danach ist die Eingewöhnung abgeschlossen. Die Eingewöhnung wird um eine weitere Woche verlängert, wenn das Kind während der Trennungsphasen am zehnten Tag noch deutliche Verunsicherungen zeigt. Dabei richtet sich der weitere Verlauf der Eingewöhnung nach dem Verhalten des Kindes. Die dritte Woche läuft in ihrer Struktur genau so ab wie die zweite. Ein Zeichen dafür, dass die Eingewöhnung abgeschlossen ist, dass sich das Kind in der Trennungssituation von der Fachkraft trösten lässt und in der Zeit ohne die Bezugsperson neugierig und aktiv an der Umgebung, den Materialien und Personen interessiert ist. Sofern sich das Kind auch nach drei Wochen nicht von der Fachkraft in der Trennungssituation nachhaltig trösten lässt, sollte ein Gespräch mit den Eltern stattfinden. Vielleicht lassen sich – manchmal auch unbewusste – Gründe finden, die eine momentane Eingewöhnung erschweren. Hier hilft oftmals bereits ein kleines Zeichen der Fachkraft, das besagt: „Ich sehe hier ein Problem, lassen Sie uns gemeinsam darüber sprechen.“

Die Schlussphase
In der Schlussphase der Eingewöhnung ist die Bezugsperson nicht mehr in der Einrichtung anwesend, jedoch jederzeit für Notfälle erreichbar. Die Fachkraft wird nun als „sichere Basis“ vom Kind akzeptiert, d. h. es lässt sich auch nachhaltig von ihr trösten. Das Kind ist nun bereits für mehrere Stunden täglich in der Kita. Es hat den Alltag kennen gelernt und ist dabei, sich in die Gruppe einzufügen.