Lernen nach Montessori

Maria Montessori machte die entscheidende Entdeckung, dass Lernen elementar über Bewegung und Sinneswahrnehmung stattfindet, also durch Erfahrungen, die ein Mensch macht und weniger durch das Hören von Worten. Darüber hinaus entdeckte sie, dass Lernen einen individuellen Vorgang im einzelnen Kind darstellt. Das wichtigste Organ beim Lernen  ist nicht das Ohr, sondern die Hand. Richtig „begreifen“ kann ein Kind erst, wenn es sich in ausreichender Zeit mit einem Gegenstand „befassen“ kann, wenn es „handeln“ kann. Lernen kann nur der Lernende selbst. Lernen ist ein Prozess, in dem der Lernende selbst aktiv sein muss und den er selbst steuert. Der Lernende muss sozusagen sein eigener Lehrer sein. Dazu braucht er Freiraum für eigene Lernwege und Material, durch das er sich selbst bilden kann.

Doch bevor das Kind anfängt mit den verschiedenen Materialien zu arbeiten, bekommt es eine Einführung durch den Lehrer. Dieser demonstriert jedes Material nonverbal in langsamen und bewusst schwierigkeitstrennenden Handlungen. Dadurch erkennt das Kind die jeweilige Aufgabenstellung und kann die Struktur dieser erkennen. Da die Einführung nonverbal vonstattengeht, richten sich die gesamte Aufmerksamkeit und Konzentration des Kindes auf die Handlungsabläufe und auf die Struktur der Aufgabenstellung des Materials. Das Kind folgt diesen Anregungen ermutigt, sobald es sie entdeckt hat, ohne groß dazu aufgefordert zu werden.

Kinder sind von Grund auf neugierig und tragen einen sogenannten „Forschergeist“ in sich. Sie wollen spontan alles selbst ausprobieren und erfahren. Dies spiegelt sich auch in der Arbeit mit den Materialien wieder. So werden Einzelteile nach ihren Eigenschaften untersucht und der Struktur nach angeordnet. Dass es währenddessen bereits etwas erfahren und gelernt hat, bemerkt das Kind selbst erst viel später, nach seinen „stetigen Wiederholungen“ des Zuordnens der einzelnen Dinge zu seiner gegebenen Struktur. Das Kind entdeckt so schrittweise durch seine einzelnen Handlungen das Material und kann dieses als Ganzes begreifen. Dies wiederum ermutigt und motiviert das Kind hochgradig und gibt ihm ein Gefühl der Zufriedenheit.

Ein wesentlicher Erziehungsgrundsatz von Maria Montessori lautet: „Einzelheiten lehren bedeutet Verwirrung stiften. Die Beziehung unter den Dingen herstellen bedeutet Erkenntnisse vermitteln“.

Das Kind wiederholt die Handlungsabläufe aus eigenem innerem Antrieb heraus. Es knüpft an die bereits gemachten und bekannten Erfahrungen an und ermutigt sich durch diese Weise immer wieder selbst, den zunächst verborgenen Schwierigkeitsgrad in der Struktur des Materials zu entdecken. Durch die natürliche Offenheit und Neugierde des Kindes und seinem Drang nach Entdeckung, stellt das Sinnesmaterial eine stets wiederkehrende und neue Herausforderung dar. Das Kind erlebt in der Realität, was es mit seinem Handeln bewirken kann und lernt aus den Folgen seines Handelns. Wenn wir uns die tiefe Konzentration, mit der die Kinder am Material arbeiten betrachten, ist es fast so, als würden die Kindern am Material meditieren, da sie sich dem Detail ganz hingeben. Genau dies ist Lernen!

Die sinnliche Selbsterfahrung des Kindes und seine freie Wahl der Tätigkeit durch spontanes handeln, ergeben eine Selbsterkenntnis, welche Maria  Montessori als Selbsterziehung bezeichnet (Montessori, 1928).